Geflüchtete Frauen
Wie erleben Sie die Frauen, denen Sie auf der Straße oder im Geschäft begegnen? Sind Sie sich sicher, dass Sie merken, ob es eine Frau aus Syrien, Afghanistan, Iran, Kolumbien oder Albanien ist? Sehr unterschiedlich sind die Frauen, die in Ammersbek angekommen sind! Auffallend sind die Frauen, die ihr Haar unter einem fest gebundenen Kopftuch verstecken und einen zugeknüpften Mantel tragen, nach strenger muslimischer Vorschrift. Andere Frauen tragen ein langes Tuch locker um den Kopf geschlungen, wie Schauspielerinnen aus den 50 er Jahren in Cabrios. So ist es üblich und Pflicht (auch für Touristinnen) im Iran. Und dann gibt es kurdische Frauen aus dem Iran oder Syrien, die kein Kopftuch tragen. Die unterschiedliche äußere Erscheinung sagt nichts darüber aus, wie ihre Rolle als Frau und ihr Bildungsstand ist. Zunächst kleiden sie sich so, wie es für eine anständige Frau in ihrem Herkunftsland angemessen war. Einige Frauen haben das Kopftuch, an das sie jahrelang gewöhnt waren, inzwischen abgelegt, weil es hier nicht üblich ist.
Was nicht auf dem ersten Blick zu sehen ist, sind die Unterschiede in Bildung und Beruf. Wenige Frauen aus Afghanistan waren Analphabetinnen, einige waren 12 Jahre in der Schule im Iran und sehr wenige Frauen haben einen Beruf nach dem Schulabschluss, z.B. Frisörin. Eine studierte Dozentin für Informatik aus Syrien ist auch dabei. Der Einstieg in den Beruf ist für Frauen noch schwieriger, als für Männer.
Die Wohnungssituation in Ammersbek ist schwierig, besonders für geflüchtete Familien, die dem Ort zugewiesen wurden. Die Frauen leiden am meisten darunter. Die Wohnung ist ihr Refugium. Sie suchen Wohnungen im Internet, aber haben Scheu, sich an die Vermieter zu wenden. Da ist Unterstützung von deutschen Familien gern gesehen. In einem Wohnhaus mit 3 Familien bekamen alle ein Kündigungsschreiben. Zwei Familien hatten das Glück, eine neue Wohnung zu finden. Eine Familie mit drei kleinen Kindern wird wahrscheinlich in die Unterkunft im Schäferdresch ziehen müssen, weit weg vom Kindergarten. Das ist belastend für die Familie, die betroffen ist und auch für die deutsche Familie, die monatelang vergeblich eine Wohnung suchte.
Die meisten geflüchteten Frauen konnten, wie auch die Männer, über die Fahrradwerkstatt Räder bekommen. Nun lernen sie Fahrrad fahren. Eine Frau aus Afghanistan berichtet, wie sie früher mit Anderen am Straßenrand stand und dem vorüberfahrenden Mann auf dem Fahrrad nachschaute. Selbst fahren kam ihr dabei nicht in den Sinn. Nun kann sie es selbst mit eigenem Fahrrad. Das macht sie stolz.
Für alle Frauen sind ihre Kinder und Enkelkinder sehr wichtig. Der Freundeskreis bietet monatlich eine Frauenteestube in den Räumen der Kirchengemeinde an. Sie wird gern besucht. Die Frauen freuen sich über dieses Treffen. Gebäck wird mitgebracht, Fragen werden gestellt, es wird geredet, gelacht und das neue Baby bestaunt. Ihre Kinder haben ein großes Bedürfnis nach Bewegung und freuen sich über vorhandene Spielangebote. Stolz sind die Mütter, wenn die Kinder beginnen, untereinander akzentfrei Deutsch zu sprechen, leichter und besser als sie selbst. Manchmal fühlt es sich bitter an, wenn die persische Sprache für die Kinder zu schwer ist. Alle Frauen sind sich einig: Der Schulabschluss der Kinder und deren gute Berufsausbildung ist ihre große Hoffnung in die Zukunft.
Karin Wisch