Hochkultur in Vorderasien

Einige unserer geflüchteten Menschen in Ammersbek kommen aus dem Iran, Irak und Syrien in unseren Ort. Aus dieser Region Vorderasiens, besonders aus "Mesopotamien" (griechisch für Zwischenstromland) kommen viele Grundlagen unserer Geschichten aus dem Alten Testament, die auch unsere Kultur prägen.

Südlich des Taurusgebirges und westlich des Zagros Gebirges, hauptsächlich im heutigen Irak, liegt um die Flüsse Euphrat und Tigris die fruchtbare Ebene Mesopotamiens, die im arabischen Raum "der fruchtbare Halbmond" genannt wird.

In dieser Gegend gaben bereits 10.000 v. Chr. Menschen ihr Nomadenleben auf und wurden sesshaft. Bei uns hier im Nordeuropa dauerte das noch weitere 5.000 Jahre. Zunächst entwickelte sich eine bäuerliche Kultur auf dem fruchtbaren Land. Sie bauten Emmert, Gerste, Sesam und Hülsenfrüchte an, züchteten Rinder und Esel, brauten Bier. Nach und nach wurde die feine Töpferware, die schon früh mit Hilfe einer Töpferscheibe geformt wurde, im Handel mit Griechenland geschätzt. Die Entwicklung des Rades als Transportmittel zeigen schon Bildern aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., die in Uruk gefunden wurden. Es ist allerdings unklar, ob die Wagen von Rind oder Esel gezogen wurden. Beide waren als Haustiere in dieser Zeit üblich. Eine Hochkultur entwickelte sich, die heute Forscher staunen lässt.

Im Norden Mesopotamiens wurde in den tief eingeschnittenen Tälern das Wasser auf die Felder geleitet und in den vorgelagerten Ebenen sorgten Niederschläge für ausreichend Feuchtigkeit in der Landwirtschaft. Weiter im Süden herrschte zunächst abseits der großen Flüsse Euphrat und Tigris Trockenheit, bis um 7.000 v.Chr. von Babylon bis zum persischen Golf Bewässerungssysteme geschaffen wurden, die den Nahrungsbedarf auf den Feldern sicher stellten. Diese Lebensweise lockte Menschen an, sodass ca. 4.000 v. Chr. bereits städtische Siedlungen mit 25.000 Menschen in dieser Region entstanden. Sie lebten in Lehmhäusern und es entwickelte sich eine Arbeitsteilung auf den Feldern als Dienst für den Tempel und Strukturen einer Verwaltung. Schreiber wurden zu einem wichtigen Berufsstand.

Der von den Flüssen mitgeführte feine Lehm taugte nicht nur zum Hausbau und für Töpferwaren, sondern auch zu Tontafeln, in denen mit Hilfe eines Griffels Vertiefungen eingeritzt oder eingedrückt wurden. Die sogenannte Keilschrift entwickelte sich aus ersten Symbolen weiter bis zu einem Alphabet mit 30 Zeichen und kam mit phönizischen Händlern nach Griechenland und wurde so zum Ursprung unserer Schrift. 

Unzählige Tafeln mit Keilschriften wurden in Tempeln, Palästen und Privatgebäuden gefunden. Auf ihnen waren Arbeitsaufträge notiert, wurden Berechnungen angestellt oder auch Mythen, Epen und Kulttexte festgehalten.

Hier einige Geschichten aus dieser Kultur, die in unserm Alten Testament zu finden sind: 

In Mesopotamien wird der Garten Eden angesiedelt: 1. Mose 2, 7 "Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in die Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der Herr pflanzte einen Garten Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. ... Und es ging aus von Eden ein Strom den Garten zu bewässern und teilte sich von da in vier Hauptarme. Der erste hieß Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila... Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat."

90 km südlich des heutigen Bagdad findet man die Reste der alten Hauptstadt Babylon, dem biblischen Babel. Das ist bei uns mit der Turmbaugeschichte verknüpft. In 1. Mose 11 wird geschildert, dass Menschen eine gemeinsame Sprache hatten, aber während sie einen Turm mit gebrannten Ziegeln bauten, der bis zum Himmel reichen sollte, gab es eine Sprachverwirrung und die Menschen zerstreuten sich in alle Lande. 

Der Gilgamesch-Epos aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. ist eine der ältesten überlieferten schriftlichen Dichtungen aus dem babylonischen Raum. Auf der elften Tafel wird eine weltumfassende Flut geschildert, wie sie heute in 1. Mose 7 in der Sintflutgeschichte zu lesen ist.

Ein sinnlich erfahrbares kulturgeschichtliches Zeugnis der Hochkultur Vorderasiens ist in Berlin im Pergamon Museum zu sehen : Das Ischtar-Tor, das 600 v.Ch. in Babylon mit blau glasierten Ziegeln und Gemälden geschmückt wurde. Es ist ein Zeugnis einer hochentwickelten Kunst und einer großen handwerklichen Fertigkeit.

Viele der modernen Städte stehen auf Siedlungshügeln, die im Laufe von Jahrtausenden gewachsen sind. Archäologen finden darunter Schicht für Schicht Zeugnisse alter Zeit, die bis zu den Städten Babylon, Uruk, Ur oder Ninive zurück reichen. Diese Hochkultur vergisst man leicht, wenn in den Nachrichten aus dieser Region Bilder eines menschenverachtenden Krieges gezeigt werden mit zerstörten Gebäuden und hungernden Menschen.

Karin Wisch