"Wenn ich Arbeit gefunden habe, ist Integration gelungen!"

Diese Aussage in der Begrüßungsrede einer jungen Frau aus Syrien anlässlich unseres  diesjährigen Sommerfestes ging mir noch nach. Es ist das Thema vieler Geflüchteter in Ammersbek.

Am Anfang (2014) hatte der Freundeskreis ehrenamtliche Deutschkurse angeboten,  damit alle Geflüchteten die Möglichkeit haben, Deutsch zu lernen. Für jede Berufstätigkeit ist das Erlernen der Sprache eine Grundvoraussetzung. Später bot die Volkshochschule Ahrensburg Deutschkurse in verschiedenen Stufen an, die 

vom Freundeskreis aus Spendengeldern bezuschusst wurden. Inzwischen gibt es verschiedenste Kursangebote, die vom Jobcenter vermittelt werden.

Für die Erwachsenen, die sich über Jahre ohne Deutschkurse durchschlagen mussten, war es besonders schwer, einen Arbeitsplatz zu finden und sich der  Deutschen Sprache und Schrift anzunähern. In bewundernswerter Zähigkeit wurden von den Männern Wege gefunden, Praktika zu machen, ehrenamtlich zu arbeiten (wenn keine Arbeitserlaubnis ausgestellt wurde) und eine Arbeit zu finden. Zu Hause herumsitzen will kein Mann. Die Kinder haben in der Schule ihre Aufgaben und die Frauen im Haushalt, sagen sie. 

Syrische Geflüchtete bekamen schneller einen längeren Aufenthaltsstatus, eine Arbeitserlaubnis und mehr Möglichkeiten, Deutsch zu lernen. Einige Männer und Frauen aus Syrien konnten bereits Englisch. Sie hatten es deshalb leichter, unsere Schrift zu lesen und lernten schnell Deutsch. Einige hatten in Syrien moderne Berufe in der Computerbranche studiert und gingen davon aus, hier nach ihrer Anerkennung als Flüchtling und dem Erlernen der Sprache schnell eine Arbeit zu finden und niemandem finanziell zur Last zu fallen. Ihren Zeugnisse ließen sie übersetzen und die syrischen Universitätsabschlüsse wurden von den deutschen Behörden anerkannt. 

Ich sprach mit einer jungen Frau. Sie ist verheiratet und durfte mit ihrem jetzt dreijährigen Sohn im Rahmen der Familienzusammenführung ihrem Mann nach Ammersbek folgen. Sie haben eine kleine Wohnung. In Syrien studierte sie nach dem Abitur Informatik mit Abschluss. Zuletzt arbeitete sie in einem staatlichen Institut (ähnlich einer deutschen Fachhochschule), in dem junge Menschen nach dem Abitur Informationstechnik lernen konnten. Ihr Schwerpunkt im Studium und ihr Lehrfach ist Programmieren. An dem Institut lernte sie ihren Mann kennen, der Ingenieur für die Computer-Hardware ist und dieses Fach unterrichtete.

Nach dem Jahr 2000 veränderte sich viel in Syrien. Das  Stromnetz wurde ausgebaut, Internetzugang wurde möglich, das Telefonnetz entwickelte sich rasant, Firmen siedelten sich an und neue Banken wurden eröffnet. Die Millionenstädte Damaskus als Hauptstadt sowie Aleppo als Handelszentrum und Industriestandort wuchsen gewaltig. An staatlichen und an neu gegründeten privaten Universitäten wurden Informationstechnik und Medizin nach dem neusten Stand unterrichtet. Fachkräfte verließen die Universitäten, die in Syrien spätestens ein  Jahr nach dem Abschluss des Studiums einen staatlichen Arbeitsplatz angeboten bekamen, weil der Bedarf so groß war.  Auch die Nachbarländer waren an medizinischen und IT-Fachkräften aus Syrien sehr interessiert. Bis zum Beginn des Krieges. Der Krieg ab 2011 beendete diese aufstrebende technische und wirtschaftliche Entwicklung und die Möglichkeit in den Nachbarländern zu arbeiten.

In der Zeit der neuen Entwicklungen vor dem Krieg konnte diese junge Frau studieren und später unterrichten. Sie berichtet von ihren Eltern, die ihren 8 Kindern ermöglichten, Medizin, Informatik oder Pharmazie zu studieren. Auch ein Künstler ist dabei. Der Vater ist Arzt und die Mutter war immer für ihre Kinder da und hat sie motiviert. Jetzt lebt die junge Frau weit von diesem Elternhaus entfernt und will ihre mitgebrachten Qualifikationen nutzen. In 22 Monaten absolvierte sie die Deutschprüfungen A1, A2, B1, B2 und C1. Sie machte drei mehrmonatige Praktika als Programmiererin und konnte zeigen, dass sie eigenständig und qualifiziert arbeiten kann. Sie bekam ein Ausbildungsangebot zur  Fachinformatikerin, aber noch keine Stelle. Viele Bewerbungen haben die jungen Eheleute verschickt. Vielleicht sind deutsche Arbeitgeber unsicher, ob die in Deutschland anerkannten Abschlüsse ihren Ansprüchen wirklich genügen. Vielleicht ist es für sie auch schwer, sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt durchzusetzen, wo mehr als 100 Bewerbungen auf eine Stelle kommen. Zum Glück hat diese junge Familie in Ammersbek und Ahrensburg Freunde gefunden, die sie begleiten, wenn wieder auf eine Hoffnung Enttäuschung folgte. 

Diese junge Familie ist integriert, was ihre Sprache anbelangt, sie hat syrische und deutsche Freunde, das Kind versteht beide Sprachen. Bei der Suche nach dem Arbeitsplatz ist die Ermutigung der Freunde, die gern zum gemeinsamen Essen eingeladen werden, sehr hilfreich.

Karin Wisch